Ich bete an die Macht der Liebe
In den von Gerd Wind in D-Dur für Frauenchor transponierte altrussischen Liturgiegesang „Ich bete an die Macht der Liebe“ von Dimitri Bortnijanski (eigentlich für Männerchor vertont), wie er bei jüngsten Chorprobe des Frauenchores „La bella musica“ (Chorverband Rhein-Sieg) im Lastgasthof in Bröl intoniert wurde, muss man sich erst einmal hineinhören. Natürlich ist das innige Gebet dazu angetan, mit Hingabe und aus der ganzen Seele heraus gesungen zu werden. Jedenfalls machte dies die engagierte Chorleiterin Angela Billerbeck-Ries mehr als einmal deutlich. So mahnte sie die Sängerinnen, die sich für musikalischen Gestaltung der Ostermesse in der benachbarten Pfarrkiche St. Mariä Himmelfahrt einstimmten, noch rhythmisch und stimmbewusster zu agieren. Sie beschwor u.a. das chorische Atmen, den richtigen Stimmsitz, die sorgfältige Atemstütze, den weichen Stimmansatz, die lebendige Stimm- und Vokalfärbung und die stimmliche Geschlossenheit. Das gipfelte in der Erkenntnis, dass man mit den Augen singen solle. Mit anderen Worten: Beim Singen sollte man nicht nur den steten Augenkontakt mit der Chorleiterin suchen, sondern auch mit freundlichen Mienen und strahlenden Augen die Stimmgebung und den Stimmklang zu bestimmen. Damit erreicht man mehr, als man glauben mag! Sie gab auch den Oberstimmen für die hohen Stimmlagen und exponierten Töne den einen oder anderen Rat, ohne mit Lob zu sparen.
Bei der deutschen Sprache sei zudem eine ausgeprägte Artikulation vonnöten, die das berühmte Zungen-R und die rechte Vokalfärbung einschliesst. Ausserdem liegt der erfahrenen Chorleiterin die stimmliche Disziplin, eine überzeugende Pianokultur und die stimmliche Integration neuer Sängerinnen ganz besonders am Herzen. Das alles und die Besinnung auf die erwähnten Stimmtugenden bieten die beste Gewähr dafür, dass sich der Frauenchor und die Vorsitzende Marlis Knippling auch künftig so präsentieren wie das im abgelaufenen Jubiläumsjahr geschehen ist. Bereits beim An- und Einsingen weckte Angela Billerbeck-Ries das Gespür und Verständnis für Intonation, Ausdruck und Phrasierung und riet den Sängerinnen noch sorgfältiger mit den Stimmhöhen umzugehen und die Lippen- und Tonspannung noch mehr zu praktizieren. Auch im Ostergesang „Freude über Freude“ aus der Feder von Klaus-Helmut Heizmann (1944), dem Chorsatz „Frieden“ von Gotthilf Fischer (1928) in einer Bearbeitung von Peter Brettner (1934) und vor allem im prächtigen Chorsatz „The Lord bless you and keep you“ von John Rutter (1945) ließ die Chorleiterin nicht locker. So forderte sie eine lockere und unverkrampfte Stimmgebung und keine Ritardando da zu singen, wo es nicht gefordert ist. Dafür sind die Crescendi noch nachhaltiger zu gestalten. Beim erwähnten Rutter-Chor sind die höheren und höchsten Stimmregister nicht zu beneiden! Rutter fordert bis zum letzten Ton einen Jubelsopran, der den faszinierenden Stimmglanz ausmacht. Doch man ist in Bröl auf dem richtigen Weg!
Walter Dohr
